Das Haus der Familie B. wurde als eines der letzten Häuser direkt an der Zufahrt in ein Neubaugebiet für freistehende Einfamilienhäuser und Doppelhäuser errichtet, das vorwiegend durch Bauträger- und Fertighäuser geprägt ist und mit seiner hohen Bandbreite an Stilrichtungen keine eindeutige Herleitung eines Konzeptes zuließ. Der Bebauungsplan sieht geneigte Dachflächen bei eingeschossiger Bauweise und einer vorgegeben Drempelhöhe bei relativ kleinen Grundstücksflächen vor.
Der mit diesen Bindungen entwickelte kompakte Baukörper beinhaltet unerwartet großzügig wirkende Räume und hat ein interessantes Erschließungskonzept. Die vier gleichen Räume im Dachgeschoß sind bis zu 4,5m hoch und orientieren sich mit großen Panoramafenstern in die freie, unverbaute Landschaft. Der offene Wohnbereich im Erdgeschoss ist als 3m hohe Halle orthogonal dazu „durchgesteckt“ und an den Schmalseiten jeweils vollständig raumhoch verglast. Er öffnet sich auf der der Straße zugewandten Seite in einen vorgelagerten Gartenhof und auf der anderen Seite zum Garten. Das Motiv des vorgelagerten Gartenhofs ist der klassischen Moderne entlehnt und erzeugt ein Maximum an Privatheit trotz der geringen Freiflächen vor dem Haus. An der Eingangsseite befindet sich in einem dreigeschossigen Luftraum eine gebäudelange, monumental anmutende einläufige Treppe, die die drei Ebenen miteinander verbindet und das Erschließungskonzept beim Betreten des Hauses sofort eindrucksvoll erlebbar macht. Im Obergeschoss trennt ein langer Einbauschrank den Luftraum gegen den Flur vor den Schlafräumen ab, der gleichzeitig als flexibel zuteilbare Ankleide die Schlafräume entlastet. Luftraum und Ankleide sind durch ganzflächige Dachverglasungen belichtet; die so erhellten Wandflächen sind - mit Galerieschienen und Stromschienen ausgestattet - zur Ausstellung von Kunstwerken konzipiert.
Das Untergeschoss ist Bestandteil des Raumkontinuums und enthält gleichwertig ausgebaute Räume, die über einen leicht abgesenkten Patio großzügig belichtet sind.
Das Gebäude fügt sich in Volumen, Proportion und Höhenentwicklung harmonisch in die Siedlungsstruktur ein. Die Fassaden sind durch das Zusammenspiel von Fläche und wenigen, präzise gesetzten großformatigen Öffnungen klar gegliedert. Durch seine zurückhaltende, feine Detaillierung und kristallartige Kubatur behauptet es sich als Archetypus gegenüber den zahlreichen Ausdruckswünschen seinen Nachbarn und stellt einen wohltuenden Ruhepol in der bunten Siedlung dar.
Ein weißer mineralischer Filzputz und naturfarben eloxierte Aluminiumfenster vermitteln einen dezenten und zeitlosen Eindruck.
Das Innere ist geprägt von wenigen Materialien wie Eichenböden und Natursteinbelägen als präzise Maßarbeit aus großen Tafeln; der Übergang des Fußbodens zu den Wandflächen ist als Schattenfuge ausgebildet; zahlreiche integrierte Staumöglichkeiten erlauben es, mit wenigen zusätzlichen Möbeln auszukommen, so dass eine fast meditative Atmosphäre entsteht.
Die konsequente Orientierung der Innenräume nach den Kriterien Privatheit und Ausblick und die hochwertige Verarbeitung schaffen eine hohe Nutzungsqualität.
Jurystatement zur Auszeichnung:
„Durch den strukturierten Umgang mit Formen und Flächen erzeugt der Architekt ein sachlich robustes Erscheinungsbild, das an einen Industriebau erinnert. Das Wohnhaus scheint sich mit atemberaubender Konsequenz gegen gängige Bilder zu wehren und bricht mit Konventionen, indem nichts Verspieltes, nichts Romantisches die klaren Formen unterbricht. Sowohl in der Innen- als auch in der Außengestaltung spielt der Architekt mit räumlichen Akzenten, Brüchen und Unerwartetem. Besonders die gezielte Lichtführung verstärkt den Ateliercharakter.“